Für Christa Wernicke

Die Geschichte meiner Omi

Das Leben meiner Omi, Christa Wernicke, erzählt von ihr selbst.


Kriegskind - Chefcutterin - Mutter - Omi

Christa
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Christas Kindheit

Omis Kindheit

Meine Omi ist am 9. Mai 1933 in Berlin geboren. Aufgewachsen ist sie zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester Inge in Berlin Lichtenberg.

Sie erzählt im folgenden Abschnitt über ihre Kindheit im Krieg, über ihre prägensten Erlebnisse sowie ihre Ängste.

Ich, Christa Wernicke (geb. Koppisch), bin am 9. Mai 1933 geboren. Zusammen mit meiner sechs Jahre älteren Schwester Inge bin ich in Berlin Lichtenberg aufgewachsen.

Im Jahr 1939 begann der Krieg. Es gab Luftangriffe, die vorerst nicht so schlimm waren und auch immer nur Nachts vorkamen. So konnten wir Kinder am Tage Murmeln, Völkerball oder Verstecken spielen und in die Schule gehen. Ich hatte auch Klavierunterricht. Meine Klavierlehrerin verlangte für den Unterricht nicht viel Geld, dafür sollte ich aber Kohlen mitbringen, die zu der Zeit knapp waren.

Die Luftangriffe wurden immer heftiger und auch schon am Tage. Wir wurden über Radio immer vorgewarnt, wann sie über Berlin sind, somit konnten wir uns schon fertig machen, bevor die Sirenen angingen. Meine Mutter und ich machten uns auf dem Weg zum Bunker, denn ich wollte auf keinen Fall in den Hauskeller. Meine größte Angst war von Trümmern verschüttet zu werden, sollte das Haus einstürzen. Aus diesem Grund mussten wir immer von dem zehn Minuten entfernten Bunker laufen, denn wenn der einstürzt fallen so große Broken, dass ich gleich tot bin.

Eines Tages ging ich mit meiner Mutter einkaufen und ich zog meine schönsten aber auch engsten Schuhe an. Sie zwickten schon etwas, aber ich wollte sie unbedingt nocheinmal tragen. Als wir aus dem Bäcker gingen schrillten plötzlich die Sirenen. Wir rannten zusammen mit unseren frisch gekauften Schrippen los zum Bunker, um uns dort vor den Angriffen zu schützen. Als der Angriff vorüber war, wollten wir uns auf den Weg nach Hause machen, doch da war nichts mehr außer Trümmer. Unsere Straße wurde bombadiert und wir hatten nichts mehr, nur noch das was wir trugen – enge Schuhe und Schrippen.

Als mein Vater von der Arbeit kam uns sag, dass keine Häuser mehr standen stellte er sich vor die Trümmer hebte den rechten Arm und sagte „Führer wir danken dir“. Die Leute um ihn herum zogen ihn weg, denn das war sehr gefährlich und er hätte verhaftet werden können.

Wir bekamen eine neue Wohnung, aber der Bunker war nun ganze 15 Minuten entfernt. Ich bin immer noch in den Bunger gerannt, auch wenn er noch soweit gewesen wäre. Manchmal waren die Bomber auch schon über mir und haben die Straßen hell erleuchtet, doch keine Bombe fiel. Die Straße war menschenleer, nur ich vorweg und meine Mutter mit Abstand hinterher. Einmal wollten sie schon die Bunkertüren schließen als ich es noch rein geschafft habe, doch meine Mutter war noch nicht drin. Ich habe so laut geschrien, dass sie die Türen noch offen lassen sollen, denn meine Mutter war noch da draußen. Glücklicherweise hielt er sie noch kurz offen, damit meine Mutter in den Bunker gelangte. Sie tut mir heute noch leid, denn sie konnte nicht so schnell laufen und ich habe sie in den Bunker gehetzt. Vielleicht wäre sie doch lieber in den Hauskeller gegangen.

Jetzt waren die Luftangriffe immer seltener, denn die Russen, Engländer und Franzosen kamen immer näher an Berlin und schossen nur noch. Nun traute sich keiner mehr auf die Straße, deshalb saßen wir alle im Hauskeller und warteten was nun kommen wird. Es kamen die Russen (Mogolen) in den Keller und haben sich umgeschaut. Sie haben nichts gemacht. Ich glaube sie hatten Angst, dass einer von den Leuten im Keller schießt. Dann waren sie wieder weg, weiter kämpfen.

Unsere Wohnung konnten wir vorest nicht betreten, da höherrangige Russen in der Wohnung gelebt haben.Erst nach einer gewissen Zeit konnten wir wieder rein. Hinter unserem haus waren Grünflächen, da haben sich einige russichsche Soldaten aufgehalten und wir kinder bekamen dann auch manchmal Süßigkeiten.

Der Krieg endete am 8. Mai 1945 und wir feierten das am nächsten Tag meines 12. Geburtstages.

Omis Geschichte

Omis Karriere

Omis Karriere

Nach dem Krieg ging Christa wieder in die Schule und fing nach ihrem Abschluss eine drei jährige Lehre als Filmfotografin. Nach der Ausbildung startete ihre aufregende Karriere als Cutterin.

Sie erzählt wie ihr Berufsleben beginn und ihren Lauf nahm, mit welchen bekannten Regisseuren sie zusammengearbeitet hat und wie sie sich entwickelt hat.

„Nach der Schule habe ich eine drei jährige Lehre als Filmfotografin angefangen und sie mit Erfolg beendet. Am 1. Juli 1951 wurde ich bei der DEFA in Babelsberg als 2. Schnittmeister-Assistentin angestellt und bekam am 22. August 1952 zusammen mit meinem damaligen Mann Willi meine Tochter Sabine. Nachdem ich noch 19 Jahre jung war wuchs Sabine vorerst bei ihren Großeltern in Berlin Lichtenberg (Berliner Osten) auf.

Mit 21 Jahren wurde ich plötzlich zur Schnittmeisterin befördert. Meine Vorgängierin, bei der ich 1. Schnittmeister-Assistentin war, wurde schwer krank und fiel für längere Zeit aus. Es musste eine Entscheidung getroffen werden, wie es mit dem Film an dem sie arbeitete weitergehen soll. Der Regisseur Herr Ballmann wollte, dass ich den Schnitt nun allein weiterführe, denn ich kannte ihn und das Filmmaterial. Also führte ich den Schnitt für den Film „Das Traumschiff“ zu Ende und alle waren zufrieden, dass es so gut geklappt hat. Ich war überglücklich, dass ich es geschafft habe.

Ich war nun Schnittmeisterin!

Mit dem Regisseur Herr Ballmann habe ich noch einige Filme geschnitten sowie mit weiteren tollen Regisseuren. Doch eines Tages kam unser Produktionsleiter für Ton und Schnitt und teilte mir mit, dass Konrad Wolf mich für seinen nächsten Film als Schnitmeisterin angefordert hat. – Oh Gott – Mit meinen 22 Jahren, ob das gut geht?

Er war schließlich DER Starregisseur bei der DEFA.

Bisher kannte ich ihn nur vom sehen und warum er ausgerechnet mit mir arbeiten wollte habe ich nie erfahren. Danach gefragt habe ich allerdings auch nie, warum auch? Zum erstenmal richtig gesehen habe ich ihn, als ich den Drehort besucht habe. Er war sehr nett. Bei diesem Beruf ist es wichtig, dass eine gewisse Sympathie und vor allen Dingen Vertrauen vorhanden ist. Der Regisseur muss mir vertrauen, dass ich voll hinter seinem Film stehe und den besten Schnitt anbiete.

Da Konrad Wolf immer am Drehort war, haben wir nur die Szenen durchgesprochen und ich habe sie nach seiner Wunschvorstellung geschnitten. Das heißt aber nicht, dass ich meine Ideen nicht eingebracht hätte. Darüber war er oft sehr froh.

Nach Ende des Films, also nach Ende des Schnitts und Vertonung, gingen unsere Wege erstmal auseinander. Konrad Wolf hat Drehbücher geschrieben und den nächsten Film vorbereitet und ich habe in der Zwischenzeit mit verschiedenen Regisseuren und deren Filmen gearbeitet. Darunter war auch das spätere Lieblingsmärchen meiner Enkelin Marie „Das singende klingelnde Bäumchen“ von Francesco Stefani.

Dann meldete sich Konrad Wolf zurück mit dem ich noch drei weitere Filme geschnitten habe. Darunter der Film „Sterne“, der in Cannes mit der silbernen Palme ausgezeichnet wurde. Konrad Wolf kam damals mit dem Kameramann in den Schneideraum, um mir die freudige Nachricht zu verkünden. Gefeiert wurde das mit einer Flasche Wodka. – War lustig –

Der Film „Professor Mamlock“ war gerade abgedreht und wir waren mitten in der Schnittarbeiten, als die Berliner Mauer 1961 den Berliner Westen und Osten teilte. Ich wohnte zu dieser Zeit in Westberlin und konnte nicht mehr nach Babelsberg in den Berliner Osten. Was wird nur mit dem Film?

Nach 3 Tagen bekam ich einen Passierschein zugeschickt und konnte nun über die Glienicker Brücke, die in Ost und West geteilt war, nach Babelsberg. Die Volkspolizisten haben nicht schlecht gestaunt, als ich über die Brücke kam. Doch sie haben sich daran gewöhnt, dass da eine Person täglich zwischen Ost und West pendelte.

Nach Ende des Films konnte ich dann nicht mehr nach Babelsberg und Konrad Wolf und ich haben uns verabschiedet. Wir haben uns nie wiedergesehen. Konrad Wolf ist am 7. März 1982 verstorben.

Meine DEFA-Zeit war durch Konrad Wolf eine schöne und kreative Zeit, die damit endete.

Jetzt war ich freie Schnittmeisterin und fand auch relativ schnell Anschluss an die Filmproduktionen in Westberlin. In einer Filmfirma in Wannsee lernte ich den Regisseur Georg Moorse kennen. Er war Engländer und er machte wohl seinen ersten Spielfilm. Wir haben gut zusammengearbeitet und somit wurde ich für seine weieren Filme immer wieder engagiert. Er war wohnhaft in München und bekam vom bayrischen Fernsehen einen Filmauftrag als Regisseur. Er wollte mich als Cutterin und so fuhr ich mit meiner Assistetin für die Produktion nach München zum BR in Freimann. Bei den weiteren Filmen mit G. Moorse wurde ich auch u.a. für andere Produktionen beim BR als freie Cutterin eingesetzt.

Nun sind meine Tochter Sabine und ich von Berlin nach München umgezogen. Unsere neue Heimt ist Garching bei München, wo ich noch heute wohne.

1975 wurde ich dann beim BR festangestellt. Neben Spielfilmen (z.B. Tatort) habe ich auch Dokumentationen, Kurzfilme, Sportberichte und vieles mehr geschnitten. Mit den Filmemachern, Redakteueren, Journalisten war die Arbeit spannend, aber auch anstrengend, denn sie zu überzeugen wie und wo der beste Schnitt ist, war mit unter nicht immer leicht. Doch am Ende waren alle zufrieden.

Unser Chefcutter ging in Rente und somit wurde die Stelle frei und meine Cutter-Kolleginnen wollten, dass ich mich bewerbe, was ich auch getan habe. Aufgrund meiner langen Berufserfahrung im Spielfilm und anderer Produktionen bekam ich die Stelle als Chefcutterin.

Ich habe daraufhin viele Seminare für Führungskräfte besucht, die auch sehr wichtig für mich waren. Es war ja plötzlich ein ganz anderer Beruf. Ungefähr 80 Cutterinnen und Cutter, freie und Festangestellte sowie Auszubildende unter einen Hut zu bringen und zufrieden zu stellen war nicht immer eine leichte Aufgabe. Ich habe mich bemüht es jedem recht zu machen, was mir auch teilweise gelungen ist.

Im Dezember 1993 bin ich in Rente gegangen.

Ich habe gerne beim bayrischen Fernsehen gearbeitet und fand die Zeit dort interessant und abwechslungsreich.

Am 27. September 1993 ist meine einzige Enkelin Marie-Christin auf die Welt gekommen für die ich nun jede freie Zeit da bin.“

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